In diesem Artikel untersuchen wir gemeinsam, was es mit der gerne zitierten aber oft falsch verstandenen Grundlagenausdauer im Fussball auf sich hat. Außerdem sehen wir uns an, ob und unter welchen Umständen es Sinn macht, Grundlagenausdauer zu trainieren und wie man Ausdauer im Amateurfussball am besten trainiert.
Was ist Grundlagenausdauer?
Ausdauer – Definition
In der Sportwissenschaft ist Grundlagenausdauer ist eine Subkategorie der Ausdauer (der Ausdauer untergeordnet, siehe Abbildung 1). Also müssen wir zuerst einmal Untersuchen, was unter Ausdauer gemeint ist.

Hier liefert uns die Sportwissenschaft folgende Definition:
Ausdauer ist die Fähigkeit, eine bestimmte Belastung über eine möglichst lange Zeit aufrecht erhalten und sich so schnell wie möglich wieder zu erholen.
Die Definition ist sozusagen zweigeteilt.
Zum Einen gilt es, Leistung über einen langen Zeitraum zu bringen. Zum Anderen müssen sich die Spieler so schnell wie möglich wieder erholen können.
Im Fußball wird Ausdauer konkret dafür benötigt,
- sich über lange Zeiträume ohne Pause zu Belasten (z.B. 45 Minuten durchhalten)
- eine Geschwindigkeit möglichst lange zu halten (z.B. ein Sprint)
- in Pausen schnell zu regenerieren (z.B. bei einem Einwurf)
- und trotz Ermüdung Techniken und Taktiken zu realisieren (z.B. einen Pass in der 85. Minute anbringen)
Auf dem Fußballplatz hört man immer wieder: „Eine gute Kondition haben“ oder „keine Kondition haben“. Hier wird Ausdauer mit Kondition verwechselt – dabei ist Ausdauer neben Kraft und Schnelligkeit eine Komponente der Kondition! Was hier meist gemeint ist, ist eine schlechte Ausdauer.
Grundlagenausdauer – Definition
Als Definition für Grundlagenausdauer liefert uns die Sportwissenschaft folgendes:
Grundlagenausdauer (GLA) ist die Ausdauerfähigkeit bei lang andauernden Belastungen in aerober Stoffwechsellage.
Die wichtigen Punkte aus dieser Definition sind einmal die lang andauernden Belastungen und einmal die aerobe Stoffwechsellage, welche wir nun weiter konkretisieren müssen.
Und nun wird es spannend!
Zum Einen, weil es ab hier in der Literatur nicht mehr einheitlich weitergeht und zum Anderen, weil dadurch der Raum für Interpretation viel größer wird.
Unterschiede bei der Definition
Manche Sportwissenschaftler unterteilen die Grundlagenausdauer (GLA) weiter in GLA 1 und GLA 2.
GLA 1 bezieht sich hier auf extensives Ausdauertraining – Puls 170 – 180, während
GLA 2 intensives Ausdauertraining bezeichnet – Puls 180 – 190
Andere definieren lediglich GLA 1 als Ausdauertraining und GLA 2 zwischen bereits als Tempotraining.
GLA 1 ist in diesem Zusammenhang ein Training zwischen 69 und 83 % der max. Herzfrequenz und
GLA 2 zwischen 84 und 94 % der max. Herzfrequenz.
Sucht man weiter, findet man noch einige weitere Definitionen… und genau das macht es für dich als Trainer so schwierig: Wer liegt richtig und wer liegt falsch? Alle Argumente haben irgendwo etwas für sich, können aber natürlich nicht alle gleichzeitig stimmen.
Orientierung an der Laktatschwelle
Die einzige Gemeinsamkeit lässt sich bei den verschiedenen Definitionen bei der Orientierung erkennen:
- Alle Wissenschaftler orientieren sich (wenn auch etwas unterschiedlich) an der Laktatschwelle
- Alle Wissenschaftler gehen einstimmig davon aus, dass es sich um Training mit aerober Energiegewinnung handelt
Was mit aerobem Training im Fußball gemeint ist, erfährst du in diesem Artikel.
Damit du dir unter den ganzen Fachbegriffen etwas vorstellen kannst, habe ich dir die Laktatschwellen als Abbildung 2 eingefügt.

Ehrlich gesagt habe ich mit dieser Grafik schon im LK Sport wenig anfangen können. Auch im Sportstudium konnte ich nicht wirklich viel damit anfangen…
Das lag zum Einen daran, dass die Grafik extrem theoretisch ist. Zum Anderen daran, dass ich persönlich vom Fußball kam und mit anderen Sportarten wenig zu tun hatte. Und für Fußball konnte ich die Grafik einfach nicht lesen.
Die verschiedenen Laufstrecken in der Leichtathletik konnte ich ohne Probleme zuordnen. Auch Schwimmen, Radfahren und Marathonlaufen. Aber Fußball machte einfach keinen Sinn.
BIs mein Dozent den entscheidenden Hinweis gab: Als ich mit meiner Problematik auf ihn zukam, fragte er mich, ob es mir denn nicht auffiel… Nein, was denn auch? Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen:
Fußball ist im Gegensatz zu den anderen Sportarten eine Spielsportart!
Grundlagenausdauer im Fußball
Und genau hier liegt das Problem mit dieser Grafik und der Grundlagenausdauer: Sie suggeriert, dass in einer Sportart nur eine Art von Energiebereitstellung benötigt wird, während in Spielsportarten aber niemals nur eine einzige Art benötigt wird!
Spielsportart Fußball
Zur Verdeutlichung: Der Marathonläufer hält seine Geschwindigkeit über mehrere Kilometer konstant und bewegt sich ausschließlich an der anaerob-laktaziden Schwelle, also an dem Punkt, an dem er gerade noch kein Laktat produziert. Die Energiebereitstellung ist hier aerob alaktazid, sonst könnte er die Belastung auch nicht so lange durchhalten.
Fußballer hingegen sind einem ständigen Wechsel aus Belastung und Entlastung, aus intensiver Belastung und extensiver Belastung ausgesetzt. Der Energiebereitsstellungsmechanismus wechselt also ständig zwischen anaerob und aerob hin und her. Außerdem ist die Dauer eines Spiels zu lange, um es rein anaerob bestreiten zu können. Wichtig ist aber, dass die entscheidenden Situationen immer anaerob stattfinden (Sprints, Schüsse, Zweikämpfe, etc.).
Ausdauerdefinition passt für Fußball
Kommen wir nochmal zurück zu unseren Definitionen von oben.
Dass Ausdauer im Fußball eine wichtige Rolle spielt, ist nicht von der Hand zu weisen. Und auch wenn im Fußball verschiedene Intensitäten (=Belastungen) vorherrschen, passt die Definition dafür immer noch wunderbar.
Auch der zweite Teil mit der schnellen Erholung passt exakt für den Fußball! Bei jedem Einwurf oder Abstoß oder jeder anderen kurzen Unterbrechung, müssen sich die Spieler schnell erholen, um bei der nächsten Situation wieder dabei sein zu können.
Problematik bei der Grundlagenausdauerdefinition im Fußball
Kommen wir zur Definition der Grundlagenausdauer von oben. Hier habe ich große Probleme damit, sie auf den Fußball anzuwenden und sehe auch immer wieder völlig falsche Interpretationen davon.
Der erste Aspekt funktioniert (bei richtiger Interpretation) noch ohne Probleme: „…bei lang andauernden Belastungen…“.
Falsche Interpretation bei Grundlagenausdauer
Viele Trainer im Amateurbereich machen hier bereits einen riesengroßen Fehler – sie verwechseln lang andauernd mit dauerhaft!
Zwar ist ein Dauerlauf (die am häufigsten praktizierte Form von Grundlagenausdauertraining) lang andauernd, aber wie wir oben festgestellt haben, NICHT spezifisch für die Spielsport Fußball, die von ständigen Intensitätswechseln geprägt ist.
Training im falschen Belastungsbereich
Und auch beim zweiten Aspekt ist die heile Welt nicht mehr in Ordnung: „… in aerober Stoffwechsellage“.
Das ist das zweite große Problem mit der Grundlagenausdauer im Fußball: In den meisten Amateurvereinen wird im falschen Belastungsbereich trainiert!
Aber nicht nur können die Spieler dadurch die für Fußball notwendige spezifische Ausdauer nicht aufbauen, sie werden außerdem auch verletzungsanfälliger durch die Muskelfaserverschiebung von FT- zu ST-Fasern! Mehr zu diesem Thema siehst du in diesem Artikel.
Falsche Annahmen bei der Belastungssteuerung
Immer wieder höre ich Sätze wie „nach der Pause muss man erstmal bei 0 starten. Wir trainieren erstmal Grundlagenausdauer.“
Auf der einen Seite ist das Vorgehen, erstmal mit niedrigerer Intensität zu starten, ja absolut richtig und sollte auch immer so durchgeführt werden! Auf der anderen Seite ist das Training, was als „Grundlagenausdauertraining“ durchgeführt wird, ein Training der aeroben Energiebereitstellung und hat nichts mit Grundlagen zu tun – auch hier verführt das Wort Grundlagenausdauer leider zu völlig falschen Annahmen.
Wenn du als Trainer mit deinen Spielern nämlich wirklich bei 0 anfangen würdest, dann würdet ihr erstmal versuchen müssen, euer Fußballtraining 45 Minuten lang bei extrem niedriger Intensität durchzuhalten – und das ist natürlich Blödsin, wie auch die gängige Praxis in den untersten Spielklassen beweist.
Hier wird also zwar Grundlagenausdauer trainiert, aber nicht wie gewollt und auch ist dieses Ausdauertraining nicht zielführend.
Aus diesen Gründen sollte Grundlagenausdauer aus der Vorbereitung und generell aus dem Fußball verbannt werden!
Effektives Ausdauertraining durch Fußball-spezifische Ausdauer
Bei den meisten Amateurvereinen sieht das Vorbereitungstraining in etwa so aus:
- 2 Wochen Grundlagenausdauer im Wald trainieren
- 2 Wochen Kraftzirkel
- 1 Woche Medizinball-Läufe
- 3 Wochen Spielformen
Das Interessante daran ist, dass unbewusst der richtige Wechsel zwischen aerober und anaerober Energiebereitstellung durch die Spielformen trainiert wird. Auch deshalb fällt nur selten auf, dass die 2 Wochen „Grundlagenausdauer“ reine Zeitverschwendung sind.
Eigentlich muss man aber in die Überlegung mit einbeziehen, dass ja 2 Wochen verschwendet wurden. Wie gut wären die Spieler, hätten sie in diesen 2 Wochen effektiv und gewinnbringend mit fußball-spezifischen Ausdauerläufen gearbeitet?
Fußball-spezifisches Ausdauertraining
Zum Abschluss möchtest du bestimmt noch wissen, wie du denn jetzt das Ausdauertraining gestalten solltest, damit es effektiv und richtig ist.
Und genau das erfährst du in diesem Artikel.
Viel Spaß beim Weiterlesen!
P.S. Kostenlose Übungen für’s Ausdauertraining in der Vorbereitung gibt’s hier.
Alex Delpy
Interessanter Artikel! Ich muss zugeben, dass ich mit meinem Team seit Jahren nicht spezifisch trainiere, wie im Artikel empfohlen. Wir machen eigentlich nur diese aeroben Ausdauerläufe. Der Unterschied ist sehr gut erklärt und ziemlich eindeutig argumentiert. Vielen Dank!
Eine genauere AUsführung der Thematik aerob – anaerob würde mich noch interessieren!
Liebe Grüße,
Euer Diego Maradona
Thanks for the great post
You’re very welcome!
Der Link bzw.. Artikel zum Fußball spezifischen Ausdauertraining kann nicht geöffnet werden …
Danke für den Hinweis – ich habe den Link aktualisiert.