Vorgeschichte/Mythos
Gestern Abend war ich als Zuschauer bei einem Hallenturnier und konnte nicht umhin, das Gespräch zweier älterer Herren zu belauschen, bei dem es um die Verringerung bzw Senkung des Körperschwerpunktes ging. Um noch konkreter zu werden: Einer der Herren hat dem anderen verschiedene Trainingsübungen erklärt, die dabei helfen sollen den Körperschwerpunkt eines Spielers zu senken und ihn damit agiler und weniger „steif“ werden zu lassen. Dadurch könnten auch große, schwere Spieler schneller beschleunigen und würden nicht so oft ausrutschen.
Die Antwort
Das wäre eine super Sache… mit ein paar Übungen den Körperschwerpunkt dauerhaft senken. Dadurch würden schwerere Spieler in der Tat weniger oft ausrutschen und größere Spieler wären deutlich wendiger!
Natürlich ist das aber nicht richtig und die Herren haben nur bewiesen, dass sie nicht wissen, was der Körperschwerpunkt wirklich ist, noch, wie er auf Fußball bezogen wirkt.
Die Mechanik des Körperschwerpunktes
Der Körperschwerpunkt ist ein fiktiver (=gedachter) Punkt, der die Masse des gesamten Körpers vereint
.
Am KSP greift die Schwerkraft an und wirkt auf den Körper. Der KSP ist beim Menschen nicht immer gleich, sondern variiert je nach Masseverteilung (Größe, Gewicht, Körperbau, Körperhaltung etc.). Geht man beispielsweise in die Hocke oder lehnt sich auf eine Seite, ändert sich der KSP entsprechend.
Hier habe ich dir entsprechende Bilder angehängt, die die Sache noch etwas besser erklären:
Quelle: http://wiki.ifs-tud.de/biomechanik/projekte/ws2013/turnen
Wichtig für unseren Fall ist folgendes:
- Der KSP wird anhand physischer Gesetze durch die Masse bestimmt
- Der KSP ändert sich beim Menschen regelmäßig, je nach Bewegung und Körperbau
- Der KSP kann nicht durch spezielle Übungen verändert werden
Ein niedriger Körperschwerpunkt im Fußball
Man hört oft Sätze wie:
Mit einem niedrigeren Körperschwerpunkt rutscht du weniger oft aus!
oder
Mit einem niedrigeren Körperschwerpunkt bist du wendiger!
Diese Aussagen sind nicht falsch, aber auch nicht komplett richtig. Der KSP wird durch die Masse des Körpers bestimmt und diese lässt sich nur bedingt verändern (Man kann zu- oder abnehmen aber weder schrumpfen, noch sich von einem Arm verabschieden). Fußballer mit mehr Masse (größer und schwerer) haben relativ betrachtet denselben KSP wie kleinere Spieler. Nur rutschen sie öfter aus, da beim Antritt der KSP oft so weit nach vorne verlagert wird (siehe Sprintstart), dass die Kräfteverhältnisse zwischen Boden und Körper nicht mehr optimal wirken. Das Kräfteparallelogramm zeigt zu sehr nach vorne und nicht weit genug nach oben. Die große Kraftentwicklung im Vergleich zu kleineren Spielern (mehr Masse entwickelt mehr Kraft) ist zu viel für den Rasen und dieser gibt nach.
Das Ausrutschen liegt also tatsächlich an einem zu niedrigen KSP und nicht an einem zu hohen.
Auch die Wendigkeit hängt eigentlich mit der Masse zusammen und nur indirekt mit dem KSP. Ein Spieler mit einem absolut gesehen tieferen KSP (relativ gesehen ist der KSP wie schon gesagt nicht anders im Vergleich zu einem größeren Spieler) hat weniger Masse und muss damit weniger Masse bewegen, um denselben Effekt zu erzielen wie ein größerer Spieler. Das ist beim Antritt ein eindeutiger Vorteil.
Take-Home für dich als Trainer
Den Körperschwerpunkt kannst du bei deinen Spielern mit Übungen nicht verändern.
Wenn du ihnen helfen möchtest, dann arbeite an deren Bewegungsmuster beim Antritt. Zusätzlich kannst du auch deren Antizipationsfähigkeit schulen.
Ich hoffe, dass ich damit den Mythos des tiefen Körperschwerpunktes im Fußball für dich etwas beleuchten konnte und du solche Aussagen besser einordnen kannst.
Schreib gerne deine Fragen oder Anregungen in die Kommentare!
Beste Grüße,
Alex Delpy